Gereon Haumann
Stammtisch
Auf ein Wort mit der DEHOGA-Rheinland-Pfalz
Wir reden jedes Jahr aufs Neue von Fachkräftemangel, doch die Situation bringt uns immer mehr zum Kopfschütteln. Wo sind nur die Mitarbeiter? In Luft aufgelöst? In andere Berufe abgewandert? Wir treffen uns auf ein Wort mit dem Präsidenten des DEHOGA-Landesverbands Rheinland-Pfalz Gereon Haumann und sprechen Tacheles.

Herr Haumann, wo sind denn nun alle Mitarbeiter hin?
Es ist echt erstaunlich, dass wir bei den aktuellen Arbeitslosenzahlen in Deutschland keine Menschen finden, die in unserer Branche und zumindest in einfachen Berufen arbeiten wollen. Aber bei der Höhe des Bürgergeldes brauchen wir uns auch nicht wundern, dass die Arbeitslosenzahlen nicht sinken und dass die Menschen nicht bereit sind zu arbeiten. Die Alternative Bürgergeld ist einfach zu attraktiv statt ein Arbeitsentgeld. Hier braucht es einen klaren Turnaround. Arbeit und Leistung muss sich wieder lohnen. Dies sind keine lehren Worthülsen, denn wir als Branche selbst haben unsere Hausaufgaben gemacht.

Was hat der DEHOGA Rheinland-Pfalz für eine höhere Arbeitsattraktivität auf Seiten von Angestellten vorangetrieben?
Wir haben im Gastgewerbe das Einstiegsgehalt in der Ausbildung angehoben. Im ersten und zweiten Lehrjahr von 675 auf inzwischen 1100 € und im dritten Lehrjahr von 850 auf 1300 € erhöht. Meiner Meinung nach sind die wettbewerbsfähige Entgeldtarife. Darüber hinaus haben wir in Rheinland-Pfalz auch den Lohn für ungelernte Hilfskräfte gegenüber dem gesetzlichen Mindestlohn um 5 % angehoben. Das heißt, wir zahlen immer 5 % mehr als normal üblich. Auch haben wir den Ecklohn nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung angehoben von damals 1859 € auf heute 2756 €. Das sind alles dicke zweistellige prozentuale Zuwächse, die die Branche erst einmal erwirtschaften muss, nach dem sie in der Pandemie so gelitten hat.

Wie hat sich die Branche für die Zukunft und Berufsbildung aufgestellt?
Auch haben wir die Berufsbilder geupdated. Es gibt z.B. nicht mehr den sogenannten Plattenservice in den Serviceberufen, wo man von der Platte das Gemüse z.B. reicht. Der Beruf REVA, der früher für Restaurantfachfrau bzw. -mann stand, hat sich geändert in Restaurant- und Veranstaltungsmanagement. Diese Ausbildungsberufe erreichen junge Menschen, was wir daran wiederrum sehen, dass in allen Kammerbezirken zweistellige Zuwachsraten an Auszubildenden zu verzeichnen sind.

Die Löhne sind angehoben, doch wo hackt es denn dann?
Die Politik muss endlich aufhören falsche Anreize zu schaffen. Mit einem derart hohen und leicht zu erwerbenden Bürgergeld ist Arbeit für viele immer noch keine Alternative. Diejenigen, die nachweislich wirklich nicht arbeiten können aus gesundheitlichen Gründen z.B., die haben natürlich unsere Solidarität und Unterstützung verdient. Ich glaube auch, dass dies viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer genauso sehen. Aber diejenigen, die arbeiten können, müssen es auch. Unsere Volkswirtschaft verkraftet diesen Zustand nicht mehr lange. Weder unser Steuersystem noch unser Sozialversicherungssystem. Zusammenfassend haben also die Arbeitgeber ihre Hausaufgaben gemacht, jetzt ist die Politik dran.

Gäste beklagen sich, dass Essengehen immer teurer wird. Wie sehen sie das?
Mein Appell an die Gäste: Versteht, dass sich die ganzen Preiserhöhungen natürlich auch in den Abgabepreisen niederschlagen! Unsere Branche hat es verschlafen den Gästen beizubringen, dass höhere Kosten auf Einkaufsseite und Produktionsseite an Gäste weitergegeben werden müssen. Wir dürfen uns nicht dem Diktat der Elektroindustrie unterwerfen wie z.B. "Geiz ist geil." Das klappt bei Staubsaugern oder Rasierern, aber dort, wo wir Fachkräfte erwarten und sich die Arbeit lohnen soll, da gilt dieser Grundsatz einfach nicht. Wir haben nur eine Chance, und zwar nicht die der Preisführerschaft, sondern die der Qualitätsführerschaft.Wir brauchen regionale hervorragende Produkte und Qualität bei Erzeugnissen aus der Küche und auch qualitativ hochwertig ausgebildete Menschen dahinter. Diejenigen, die ordentlich kalkulieren werden die Gewinner auf lange Sicht sein. Man darf sich nur nicht vom Preisbrecher nebenan einschüchtern lassen. Der existiert nicht lange oder kann sich selbst kaum Gehalt auszahlen.

Wie wichtig ist die Branche für uns Menschen?
Es gibt viele Branchen, in denen Menschen für Menschen arbeiten. Nehmen wir mal den Kindergarten oder das Altersheim als Beispiel. Hier arbeiten Menschen für und mit Menschen, aber keiner geht gerne freiwillig hin. Auch dann nicht, wenn es noch so schön betitelt wie Seniorenresidenz ist. In unserer Branche aber gehen Menschen völlig freiwillig hin. Wir sind der Glücksbringer der Gesellschaft. Menschen erleben bei uns ihre schönsten Momente.

Warum sind Preiserhöhungen in der Gastro gerechtfertigt?
Wir können durchaus die Preise erhöhen, zwar nicht unendlich aber im Rahmen. Wir sind Dienstleistung und arbeiten ja mit Menschen. ich verstehe die Diskussion über Preise gar nicht. Die Branche muss viel selbstbewusster werden, denn bei uns kannst du dich an die Theke setzen, traurig oder ausgelaugt und es hört dir jemand zu. Das kann man im Fitnessstudio als Beispiel nicht. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass unsere Branche mit die wichtigste der Gesellschaft ist, dann sind es die Lockdowns während der Pandemie. Hier wurde uns allen bewusst, dass die Gastronomie ein Ort ist, der uns verbindet, der uns fehlte. Die Gastronomie ist Erlebnis, Gemeinsamkeit und Kommunikation. Da muss man nicht den Preis des Schnitzels als Beispiel vergleichen oder kritisieren.

Wie sehen Sie die Sache mit dem Erfolg und Jammern? Müssen wir in Deutschland umdenken?
Genau das sehe ich in Deutschland echt problematisch. Es ist ja teilweise schon verpönt Erfolg zu haben. In den USA gehen die Menschen zu dem Zahnarzt, der ein dickes Auto fährt, denn er ist ja erfolgreich. In Deutschland geht man eben nicht zu dem Zahnarzt mit dem Porsche, da er ja nur unser Geld will. Wir brauchen dringend wieder Begeisterungsfähigkeit für Erfolg. Im Sport gelingt uns das. Ob im Fußball, bei den Olympischen Spielen etc. Wir wollen doch mit den Siegern feiern und genießen. Gastronomen sind in dem Fall die Sieger. Gäste wollen kein Jammern, sondern wollen hören woher die Produkte kommen, wie toll der Wein im Weinkeller schmeckt und eine Auszeit vom Alltag, wo ja auch nur gejammert wird.

Was geben sie der Branche persönlich mit auf den Weg?
Wir haben über 40.000 Betriebe in Deutschland seit der Pandemie verloren. Da müssen doch die Alarmglocken bei allen klingeln. Andere Branchen stehen bei der Regierung sofort auf der Matte und wir kämpfen nicht gemeinsam für unser Recht? Es kann z.B. überhaupt nicht sein, dass die Mehrwertsteuer auf Speisen auf Porzellan wieder angehoben wurde, aber bei ToGo nicht. Die Regierung will, dass wir uns nachhaltig verhalten, aber besteuert Essen im Lokal wieder mit 19%, aber ToGo nur mit 7%? Ein absoluter Wiederspruch. Das Schlimmste: Wir gewöhnen uns an diese Absurditäten.

Bettina
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