Dass es bei uns immer sonniger und wärmer wird, hat bekanntlich Vorteile ebenso wie Nachteile. Gehaltvollere Weine reifen, wir können vermehrt Pfirsiche und Kiwis ernten. Auch Artischocken, eigentlich in südlicheren Gefilden beheimatet, lassen sich inzwischen bei uns anbauen, und längst haben trendbewusste Bauern das Distelgewächs für ihren Erfolg entdeckt.
Regionales als Trumpf
Das passt bestens in die Zeit, schließlich legen Köche und Kunden verstärkt Wert auf regionale Zutaten. Kommen Artischocken bislang überwiegend aus Frankreich, Italien, Spanien oder von noch weiter her zu uns, werden sie vermehrt auch bei uns angebaut.
Ganz ohne Tücken ist das nicht – da das Überwintern auf dem Feld durch frostige Temperaturen in unseren Breitengraden selten möglich ist, wird zu speziellem Saatgut für die einjährige Kultur gegriffen. Ab Februar oder März vorgezogen, kommen die Pflänzchen nach den Eisheiligen ins Freiland und liefern im Sommer ganz besonders zarte Knospen, bei denen weder harte Fasern noch überreichlich Heu den Genuss und die Verarbeitung stören.
Selbst ist der Koch
Wer auf Gemüse und Kräuter aus eigenem Anbau schwört, sollte sich an Artischocken versuchen. Wichtig dafür: ein warmer, sonniger und windgeschützter Standort sowie ein lockerer und nährstoffreicher Boden. Gutes Saatgut im Februar unter Glas ausbringen, die zarten Pflänzchen dann Ende Mai auspflanzen. Wer dann noch ausreichend mit Kompost düngt und regelmäßig wässert, kann die Blütenknospen im Sommer ernten. Erblühen dürfen die Artischocken für die Verwendung in der Küche nicht – sonst sind sie ungenießbar. An sehr geschützten Plätzen können die frostempfindlichen Artischocken draußen überwintern – am besten mit weit gekappten Blättern und dick mit Stroh abgedeckt.
Superfood aus der Heimat
Ob Chia, Acai oder Goji – Superfood ist in aller Munde, oft jedoch von weit her zu uns gebracht und ganz sicher nicht der versprochene Heilsbringer. Glücklicherweise werden Stimmen immer lauter, die Kulinarisches aus unseren Regionen auf eine Stufe stellen mit den fremden Neulingen. Auch die Artischocke kann es locker aufnehmen mit Exoten aus der Ferne, steckt doch eine geballte Ladung an Gesundem in ihr. Bereits die leichte Bitternote beim Genießen verrät einen wesentlichen Inhaltsstoff, der Cynarin heißt. Er schützt unsere Leber, regt die Galle an, beugt Gallensteinen vor, verjüngt unsere Zellen und kann den Cholesterinspiegel senken. Damit nicht genug: Artischocken enthalten zudem viele Vitamine und Mineralstoffe, etwa B-Vitamine, Eisen, Kalzium, Phosphor und Magnesium, wirken entwässernd, fördern die Verdauung ebenso wie die Blutbildung.
Vorausgeschaut
Wie wäre es mit der spanischen Artischocken-Variante Cardy? Gute Gastronomen bieten ihren Gästen immer wieder Neues. Im vorletzten Jahrhundert noch häufig auf den Tellern unserer Vorfahren, ist das Gemüse in Vergessenheit geraten. Doch die Zeit ist reif für ein Revival. Die eng mit der Artischocke verwandte Pflanze zeigt ähnliche Blütenköpfe, verwendet werden jedoch nur die fleischigen Blattstiele, in denen der Gehalt an Bitterstoffen mit all ihren positiven Eigenschaften ebenfalls hoch ist. Saison ist nicht im Sommer, sondern in den Wintermonaten wobei die Blätter für einige Monate vor der Sonne geschützt werden und deshalb vornehm und bleich auf den Tisch kommen. In der Küche müssen die Blattstiele von ihren Stacheln und den ungenießbaren Fäden befreit und nach Geschmack bissfest oder weich gedünstet werden.