Jürgen David und Michael Schmitz im CHEF TASTE Interview
Stammtisch
Meat me - Lasst uns die Messer wetzen!
So richtig gutes Fleisch ist eine wahre Kunst in der Zubereitung. Die einen können es einfach und die anderen verzweifeln an Teilstück und Garpunkt. Let's talk mit zwei der renommiertesten Metzger landesweit!

Im Battle stehen uns Jürgen David, Metzgermeister und Buchautor (Instagram: @metzgereidavid) und Michael Schmitz (Instagram: @ruhr_beef) gegenüber.

Wenn Fleisch sprechen könnte, welcher Cut hätte die beste Story zu erzählen?

Jürgen: Meiner Meinung nach sind es die B-Cuts und Barbecue-Cuts wie etwa ein Beef Hammer oder Short Rip, da sie eine Achterbahn der Wertschätzung erfahren haben. Vor Jahre kochten die Omas noch mit ihnen Suppe und heute gehen sie dank Barbecue-Trend durch die Decke. Nierenzapfen oder besser bekannt als Hanging Tender ist uns damals z.B. im Schlachthof für Hundenahrung nachgeworfen worden. Die Franzosen aber haben es schon immer zelebriert und endlich wird es auch bei uns als Premium Cut heute gehandelt.

Michael: Ich glaube, das Flank Steak hätte eine gute Story zu erzählen, da es gerade ziemlich stolz auf sein Dasein sein kann. Es hat sich vom Hackfleisch bzw. verarbeiteten Fleisch zum angesehenen Teilstück in der Gesellschaft hochgearbeitet.

 

Welches Fleisch ist der Rockstar in jeder Küche?

Jürgen: Garantiert das Kobe Rind oder Wagyu Rind. Für mich persönlich ist es jedoch die alte galizische Kuh aus Spanien: die Rubia Gallega. Mein Papa ist mit mir als kleiner Junge früher mit dem Auto durch Spanien gebrettert und er sagte immer zu den Kühen am Straßenrand: „Guck mal, die können ja gar nix!“ Alte Kühe kann man normalerweise nicht für Steaks verwenden, aber diese natürlich lange und saftige Weide-Fütterung lässt ein außergewöhnliches Aroma entstehen.

Michael: Ohne Wenn und Aber ist das Vacio ein absoluter Rockstar. Das ist der komplette Bauchlappen und als ein argentinischer Zuschnitt besser bekannt. In Deutschland nennt man das Teilstück auch Dünnung. Ob im Ofen, auf dem offenen Feuer etc. zubereitet ist es einfach der Hammer. Man hat wie beim Schweinekrustenbraten eine richtig krosse Kruste und zartes saftiges Fleisch innen.

Welchen Stellenwert sollte Fleisch in unserer Ernährung haben?

Jürgen: Ganzklar: weniger ist mehr, aber dafür bitte etwas Gutes. Ich finde es wichtig Fleisch zu essen, da wir auf diese Weise viele sekundäre Nährstoffe aufnehmen. Die Tiere fressen z.B. Gras und wandeln es in Energie um. Wir profitieren indirekt von diesen Nährstoffen. Auch können viele Erntenebenprodukte, die der Mensch nicht braucht, an Tiere weitergegeben werden und der landwirtschaftliche Kreislauf so geschlossen bleiben. Bei einer wachsenden Weltbevölkerung macht es so auch weiterhin Sinn Fleisch zu essen. Ich mache außerdem gerne ein Spiel bei Events: Ich bringe ein Filet zusammen mit einem Short Rip. Natürlich gibt es total krasse Fleisch-Qualitätsunterschiede über die Fütterung, Genetik und Schlachtumstände, aber nicht in ein und demselben Tier. Wenn ich dann ein Filet oder ein Shortrip oder eine Rinderbrust als Pastrami schicke, fällt den meisten Menschen auf, dass das nicht so hippe Suppenfleisch, dass ja auch viel günstiger ist, doch sogar viel geiler sein kann als das Filet.

Michael: Ich sehe Fleisch eher als Genussmittel statt als Lebensmittel. Fleisch sollte etwas Besonders sein, aus guter Haltung kommen, gute Qualität haben und nicht wie ein Apfel oder ein Ei inflationär gekauft und gegessen werden. Bitte auch nicht aus der SB-Theke und Hauptsache günstig. Die Metzgereien und Familienbetriebe machen schon sehr viel für das Image von gutem Fleisch, aber es könnte noch viel mehr in der Werbung getan werden.

 

Hand aufs Herz: Hast du je ein Steak so sehr geliebt, dass du es fast nicht essen wolltest?

Jürgen: Eher umgekehrt bei mir. Wir haben z.B. eine eigene Qualitätsstufe in der Metzgerei: Meins. Darunter unterschreibe ich mit „Chef“, da ich diese Qualitätsstufe am liebsten gar nicht verkaufen möchte. Es gibt immer nur eine Handvoll Leute, die etwas davon abhaben können, um noch tiefer ins Thema Fleisch einzusteigen. Die Gefahr von Kunde XYZ einfach nur so ohne Wertschätzung gegessen zu werden, ist mir zu schade.

Michael: Bei mir kannst du die Fragen eher so umformulieren, ob es je ein Steak gab, dass ich nicht aufessen wollte. Wir hatten letztes Jahr ein Fleisch, das war wirklich das Beste, was ich je gegessen habe. Ich habe dann immer auf den perfekten Moment gewartet, um die beiden letzten Steaks aufzuessen, da es einfach zu schade war.

Gibt es ein heiliges Gebot unter Fleischsommelieren?

Jürgen: Ich bin ja keiner, da ich dafür einfach keine Zeit finde. Ich wurde zwar schon oft gefragt, ob ich Seminare halten könnte, aber wenn ich mal frei habe, dann fahre ich lieber mit der Family in den Urlaub. Aber natürlich habe ich Gebote: mir ist es wichtig, alles zu geben und meine Leidenschaft für Fleisch direkt weiterzugeben.

Michael: So viele heilige Gebote gibt es nicht, aber das Wichtigste ist, sich stetig weiterzubilden. Alles andere wäre Geschwafel. Es ist traurig, wenn man einfach stehen bleibt und nichts neues ausprobiert und seinen Horizont nicht erweitert. Du kannst dem Kunden nur Qualität nahe bringen, wenn du dich selbst weiterentwickelst.

 

Kannst du mit Augen zu Cuts von Rins, Lamm und Schwein erschmecken?

Jürgen: Ich selbst habe nur ein mittleres Geschmacksempfinden seit Geburt. Da gibt es deutlich stärkere.

Michael: Ja, gewissermaßen schon. Du kannst spezielle Bereiche eines Tieres anhand des Fettschmelzes, anhand der Aromatik des Teilstückes und der Festigkeit erschmecken.

Bettina
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