Hallo Tanja, hallo Philippe! Wie müssen wir uns einen typischen Tag bei euch vorstellen?
Im Moment sind wir beide damit beschäftigt, die Ernte zu bewältigen. Philippe arbeitet daher täglich in den Weinbergen, um alles vorzubereiten. Wir ernten dann an den Tagen, die wir am passendsten für die gewünschten Traubensorten finden. Wir kümmern uns beide darum, was in den Keller kommt, und müssen die Temperaturen und die Gärung dazu mit ein wenig Wissenschaft überwachen. Aber wir haben auch eine einjährige Tochter, die um uns herumläuft, wenn sie nicht gerade im Kindergarten ist. So halten wir die Zeit im Keller, in den Weinbergen, im Büro und beim Spielen im Gleichgewicht ?.
Wer macht was bei euch im Unternehmen?
Ich leite unsere Familie und den größten Teil der Verwaltung und Philippe ist der primäre Weinbauer und im Keller. Wir betreiben auch andere Geschäfte von unserem Büro zu Hause aus, so dass ich so viel wie möglich im Büro arbeite und Philippe sich um die schweren Arbeiten auf dem Hof kümmert. Dann teilen wir beide die kreativen Aufgaben pro Tag/Woche/Stunde auf.
Was hat euch animiert, an die Mosel umzuziehen und selbst einen Weinberg zu bewirtschaften?
Seit wir uns kennen, träumten wir beide davon, ein Weingut zu besitzen und zu betreiben. Wir haben beide jahrelang im Gastgewerbe gearbeitet, Philippe als Sommelier und Restaurateur und ich als Küchenchefin und Hospitality Managerin. Auch kommen wir beide aus Unternehmerfamilien und waren einfach dazu bestimmt, uns irgendwann selbstständig zu machen. Die Mosel als Ort fanden wir aufgrund unserer Liebe zu süßem Weinen interessant. Das hat uns den Umzug von Vancouver nach Maring-Noviand erleichtert.
Gibt es einen Mentor in eurer Karriere?
Oh, das sind einige, aber zu viele, um sie alle aufzuzählen, aber wir sind beide wieder „Lehrlinge“ geworden als wir hierher gezogen sind. Philippe mit Lenz und Hans Jakoby, der örtlichen Familie, die uns mit Werkzeug und Wissen unterstützt. Ich habe meinen Umzug an die Mosel mit einem Job bei Dr.Loosen begonnen. Sowohl Ernst als auch Thomas Loosen haben mir persönlich geholfen als wir hierher gezogen sind. Dafür bin ich sehr dankbar. ?
Wie hat euer erster selbst hergestellter Wein eigentlich geschmeckt?
Wir haben im letzten Jahr unter den schlimmsten Bedingungen einer Pandemie und bei furchtbarem Wetter angefangen, und irgendwie haben wir mit viel Schweiß und Tränen vier unglaubliche kleine Weine produziert. Am stolzesten sind wir auf unseren Sparkling Pinot Noir Pétillante Naturel, der Teil unserer "Heart Series" ist. Weich, spritzig und voller roter Früchte.
Was macht einen charakterstarken Wein aus?
Wein ist zweifelsohne Kunst. Aber nicht aus den Gründen, die die meisten Leute denken. Wenn man Wein aus Trauben herstellt, die man selbst angebaut hat, muss man tausend kleine Entscheidungen treffen, die das Endergebnis des Weins beeinflussen. Die Herstellung eines charakterstarken Weins ist daher eine Mischung aus Fehlern und Erfahrungen, Offenheit für Kritik, aber auch die Erkenntnis, dass die Geschichte der Reise oft wichtiger ist als das Ziel. Zusammenfassend kann man also sagen: gute, glückliche Entscheidungen treffen, Fehler machen und sich verbessern, Kritik positiv aufnehmen und mit all diesen Dingen eine große Geschichte in jeder Flasche schaffen.
Unterschätzte Rebsorte?
All PIWI-Rebsorten. Sie sind die Zukunft des Weinbaus im Einklang mit der Natur. Die Unvorhersehbarkeit des Klimas hat dazu geführt, dass wir uns mit stabileren Trauben und weniger Arbeit auseinandersetzen müssen. Deshalb hoffen wir, dass sie eines Tages neben den klassischen Rebsorten gepflanzt werden.
Was unterscheidet euch von anderen Weinen und Winzern?
Wir haben keine Geschichte, die uns zurückhält. Wir können und dürfen mutig sein und unseren Nasen folgen, anstatt nur den Traditionen, wie eben bei vielen anderen. Nicht falsch verstehen, wir lieben klassische "traditionelle" Weine wie Kabinett und Auslese Riesling, aber wir sind eben spielerischer in unserem Ansatz. Petnat, Wermut, Cocktails etc. Wir stellen Weine her, die wir an unserem Kabinett-Stand, in der Gastronomie und in kleinen Weinläden direkt an die Gäste ausschenken. Alles, was wir tun, geschieht unter dem Blickwinkel des "Gästeerlebnisses", das wir über Jahrzehnte hinweg gemeistert haben. Auch bewirtschaften wir alle unsere Weinberge biologisch und folgen der burgundischen Philosophie "Sei mutig genug, nichts zu tun". Das bedeutet, dass wir versuchen, so wenig wie möglich einzugreifen und uns von der Natur leiten zu lassen.
Korken oder Drehverschluss?
Beides, je nach Wein. Schraubverschlüsse sind die nachhaltige Zukunft. Aber wenn wir uns für einen entscheiden müssten, dann für Kork, für die Sommeliers im Raum.
Weinschorle, pur oder Wein-Cocktail?
Wir servieren alle drei an unserem Kabinett-Stand in Maring. Schorle an einem heißen Tag, pur zum Essen und Cocktails davor und danach. Kommt einfach mal auf ein Glas vorbei! ?
Zu guter Letzt: Wann kommt bei euch eine gute Flasche Wein auf den Tisch?
Jeden Tag beim Abendessen, denn das Leben ist zu kurz, um sich an großen Weinen festzuhalten. Wir versuchen eben jede Gelegenheit zu nutzen, um unsere Leidenschaften zu genießen.