
Kurz zur Erinnerung: Während der Pandemie wurde der Steuersatz auf Speisen vor Ort auf 7% gesenkt. Seit Januar 2024 ist man politisch wieder zurückgerudert auf die gelernten 19%. Doch! Corona-Zurückzahlungen wurden teils zurückgefordert, viele Mitarbeiter sind nie wieder in die Gastronomie zurückgekehrt und von explodierenden Energiekosten und weiteren Steuererhöhungen darf man erst gar nicht anfangen. Was Verbände und Gastronomen laut fordern, ist längst überfällig. Wirte leben ihre Passion für guten Geschmack. Sie sind Orte der Begegnungen und stehen für Leben, die Gäste sich leisten könnten sollen. Wir fragen bei Gereon Haumann, Präsident DEHOGA Rheinland-Pfalz und Dr. Marcel Klinge, Vorstandssprecher & Co-Founder der DZG nach, wie sie die politischen Entscheidungen bewerten.
Gereon, wie siehst du die 7%?
Die Einführung der reduzierten MwSt. von 7% auf Speisen ab dem 01.01.26 ist eine richtige und wichtige Entscheidung der neuen CDU/CSU geführten Bundesregierung. Damit wird Steuergerechtigkeit geschaffen. Die Gäste profitieren davon gleich dreifach: erstens wird ihr Lieblingslokal damit im Fortbestand gesichert, zweitens bleiben die Preise stabil und drittens können die Gastgeber in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter und/oder die Qualität ihrer Betriebe investieren.
Wo sollte die Koalition evtl. nachbessern?
Die Einführung einer Wochenhöchstarbeitszeit statt einer Tageshöchstarbeitszeit begrüße ich außerordentlich! Durch die Umsetzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie wird dadurch endlich das möglich, was in vielen europäischen Ländern längst Praxis ist. Damit wird auch dem Wunsch vieler Mitarbeitenden nach flexibleren Arbeitszeitmodellen entsprochen und zudem den Gästen die Möglichkeit gegeben, häufiger und länger in ihre Lieblingslokale einzukehren.
Marcel, Ist jetzt Zeit für Dankbarkeit oder für weitere unbequeme Forderungen?
Wir sollten auf jeden Fall aktiv kommunizieren, dass wir dankbar sind für die Entlastungen und aufzeigen, was am Ende Positives mit dem Steuergeld passiert. Weitere Ideen gibt es natürlich, wie z.B. die Ausweitung der 7 Prozent auf Getränke, die unseren rund 40 000 Bars, Cafés und Kneipen wirklich helfen würde.
Durchhalten bis Januar 2026 oder durchstarten? Viele Betriebe haben „überlebt“, aber nicht mehr.
Am besten wäre es natürlich, wenn die angekündigten Entlastungen – neben der Umsatzsteuerreduzierung sollen z.B. auch die Energiekosten sinken – schon im Sommer 2025 umgesetzt werden würden. In diesen Monaten wird bei uns der größte Umsatz gemacht. So oder so müssen wir in Berlin aber dafür sorgen, dass die Standort- und Betriebskosten nicht noch weiter steigen. Dies gilt insbesondere für die erst jüngst gestiegenen Sozialversicherungskosten, die die Gastwelt mit ihrem überdurchschnittlichen Personalkostenanteil besonders stark belasten.
Wie sieht es mit „Ausgeben“ aus? Sollte man jetzt als Gastronom investieren?
Im Hinblick auf neue Investitionen hat sich die neue Bundesregierung mit ihrem „Investitionsbooster“ – also 30 Prozent Sonderabschreibung pro Jahr für bewegliche Wirtschaftsgüter von 2025 bis 2027 – indes ein sehr wirksames Förderinstrument ausgesucht. Für viele unserer Betriebe ist das eine Chance, steuerbegünstigt zu investieren, und damit wettbewerbsfähig zu bleiben.
Profitiert der Gast eigentlich von der Steuersenkung?
Ob die Preise im Januar 2026 tatsächlich flächendeckend sinken, halte ich für nicht ausgemacht, da ja auch noch die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro im Jahr 2026 im Raum steht. Würde dieser auf einmal um 17 Prozent steigen, würde das faktisch alle angekündigten Entlastungen für unsere Betriebe wieder zunichtemachen. Aus unserer Sicht wäre es vor allem sinnvoll, wenn die Gastronomie 2026 stärker in Qualität und Service investiert.
Was hat letztlich den Ausschlag für die politische Wende gegeben? Waren es eher die ökonomischen Argumente, die emotionalen Erzählungen der Wirte oder die strategische Vernetzung?
Die Umsatzsteuer-Senkung auf 7 % ist ein Gemeinschaftserfolg für die gesamte Gastwelt, bei dem viele Organisationen, Personen und auch Politikerinnen (wie Anja Karliczek) mitgeholfen haben. Klug war auf jeden Fall, stärker auf Emotionen und gesellschaftliche Relevanz zu setzen. Also weniger Gejammere, dafür eine stärkere Betonung der großen sozialen Rolle und Bedeutung. Mit unserer jüngsten Integrationsstudie, die die DZG zusammen mit dem Fraunhofer IAO umgesetzt hat, könnten wir spannende neue Zahlen vorweisen, die einiges an Eindruck im Bundestag hinterlassen haben. So beträgt der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte in der speise-geprägten Gastronomie unglaubliche 50 Prozent. Unsere Betriebe sind damit der Integrationsmotor in Deutschland.