Bei den zahlreichen Jobtiteln heutzutage stellt sich die Frage: Bartender, Barkeeper oder Mixologe?
Ich sage gern Bartender und Mixologe, denn der Barkeeper ist meist zeitgleich auch der Barbesitzer. Da ich momentan aber keine physische Bar selbst führe, sind die anderen beiden Jobtitel richtiger. 2011-2013 hatte ich eine sogenannte Speak Easy Bar in Düsseldorf. Die Scheiben waren verspiegelt, du musstest klingeln. Das waren goldene Zeiten.
Kannst du dich eigentlich noch an deinen ersten Signature Drink erinnern?
Puh, das muss 2000/2001 gewesen sein. Er war sogar alkoholfrei und hieß Sherbet (zu deutsch Brause). Wenn du mich so fragst, bestand er aus Orangensaft, Ananassaft, Zitrone, Limette, Kokos, Grenadine, Tonic. Das waren echt Oldschool-Zeiten.
Klingt lecker. Damals gab es ewig lange Cocktailkarten. Heute sieht man diese nicht mehr. Woran liegt das? Sind Gäste nicht mehr experimentierfreudig?
Ich würde eher das Gegenteil behaupten. Die Gäste sind verrückter geworden. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Drinks sind wie eine Analogie zu Restaurants. Dort findet man es auch nicht cool oder es spricht nicht von Qualität, wenn man 100 Gerichte auf der Karte wählen kann. Man geht heute eher mit ganz persönlichen Signature Drinks hausieren und das macht dann eine Bar aus. Standards muss man nicht mehr auf die Karte packen. Einfach danach fragen oder eben von der Karte inspirieren lassen. Aus der Sicht als Cocktail-Caterer merkt man aber auch immer wieder, dass die verrücktesten Sachen bei Events gar nicht gefragt sind. Da kommen Wünsche wie Sex on the Beach oder Mojito.
Bleiben wir bei ausgefallenen Drinks. Was hälst du von modernem Werkzeug à la Ultraschallmixer und Co.?
Genau das ist diese Analogie zur Küche. Köche haben auch neue Verfahren wie Sous Vide etc. All die neuen Werkzeuge kann man auch im Barbereich verwenden. Das ist ein ganz anders Level. Es gibt einige Koryphäen und positive Freaks wie Volker Seibert, die einen so enormen Anspruch an Qualität haben, das ist Wahnsinn. Dort fährt man auch mal nachts hunderte Kilometer für eine Schindler Erdbeere, um die perfekte Infusion zu machen. Da werden Drinks und das Mixen zur Kunst.
Gibt es Drinks, denen du nachtrauerst?
Ein Prinz of Wales z. B. serviert in einem Silberbecher. Die Basis ist Cognac. Leider ist Cognac generell nicht mehr so wertgeschätzt. Ich weiß gar nicht, wann das letzte Mal ein Gast bei mir Cognac bestellt hat. Dabei liebe ich die Spirituose. Dieser Geruch erinnert sofort an eine urige alte Holzbar.
Wie wichtig ist der Name bei einem Drink?
Schon sehr wichtig. Das ist wie, wenn man eine Barkarte durchgeht. Der Name springt dich als erstes an. Natürlich muss der Inhalt dann auch stimmen, aber selbst ein Filmtitel oder ein Buchcover ziehen einen rein oder eben nicht.
… Porn Star Martini wäre da ein Name. Gern getrunken im Urlaub.
Stimmt. Interessanter Weise hat den glaube bei mir noch nie jemand bestellt in Deutschland. Aber was die Popolarität angeht einer der Top 3 Drinks weltweit.
Wie wichtig ist die Garnitur eines Drinks?
Optik spielt immer eine Rolle, aber ich habe auch überhaupt kein Problem, wenn ein Drink nackig kommt. Dann kann man sich besser auf den Inhalt konzentrieren und wird nicht abgelenkt von irgendwelchen Vogelfedern oder irgendeinem Lametta. Wenn aber eine Dekoration eine Funktion hat oder etwas unterstreicht, gerne.
Was bestellst du selbst gern?
Zuhause trinke ich gar nicht. Auswärts hängt es von der Situation ab. Daydrinking mit Wermut ist toll, aber müsste ich mich für einen Drink entscheiden, wäre dies ein Negroni, klassisch oder mit Twist.
Lass uns über Gäste reden … Du hast mit Paradiesvögeln, Cholerikern, Stressgeplagten zu tun. Wie hast du deinen Weg zwischen Humor, Zuhören und Ratschlägen gefunden?
Ich glaube, dass die Grundvoraussetzung erst einmal da sein muss: Menschen lieben. Oft stellt man mir die Frage: Was macht einen guten Bartender aus? Ich fang da immer dann ganz anders an. Glaub‘ mir, wenn du gerade in einer Gesellschaft unterwegs bist in Kombination mit Alkohol, kommen auch mal unschöne Seiten zum Vorschein. Man darf vieles nicht zu ernst nehmen und man muss ein Feingefühl dafür haben, wann du zu reden hast und wann nicht. Es kann sein, dass ein Gast allein an die Bar kommt. Aber dies gibt dir kein Recht, diesen zu entertainen. Er möchte vielleicht nur abschalten.
Haben sich die Gäste verändert?
Ich würde sagen, der Anspruch der Gäste ist gestiegen. Das liegt daran, dass das Wissen auch gestiegen ist. Heute kommt der Gast und fragt nach den Sorten von Gin, nach verschiedenen Gläsern, verschiedenen Tonics etc. Dann hast du erst einmal 10 Min. gesprochen, bevor du überhaupt den Drink gemixt hast. Das zeigt, dass der Gast sich mit der Materie befasst und einen Sinn für Qualität hat. Was allerdings nervt, wenn jemand denkt, er weiß alles besser.
Lustigste Situation?
Oh, das war damals auf dem deutschen Fernsehpreis. Einer meiner ersten Jobs. Ich hatte für einen Cocktail-Caterer gearbeitet, der sich in den Zeiten verschätzt hatte. Plötzlich wurde der rote Teppich ausgerollt, aber meine Limettenkisten standen noch im Weg. Ich musste also ganz fix dafür sorgen, dass sie vom roten Teppich verschwinden und habe sie hinter mein Rückbuffet geschmissen. Dort standen aber damals zig Spotlights und nicht wie heute LEDs. Die Kisten standen genau davor. Birgit Schrowange etc. kamen über den Teppich, die Kameras blitzten, auf einmal roch es merkwürdig. Ich drehte mich um und alle Kartons brannten samt 3 Meter hoher Stichflamme. Voller Panik schrie ich „Feuer“ und warf einfach das gesamte 100 kg schwere Crushed Ice über die Flammen. Somit gab es dann nur noch warme Drinks. Die ganze Veranstaltung über.
Das BWL Studium hat dir nicht geschadet? ;-)
Ein Studium zeigt dir ja nur Denkstrukturen auf. Ich habe fünf Jahre studiert und ich kann mich nicht wirklich viel an Sinnvolles erinnern. Aber die Tatsache, dass ich gelernt habe, wie man lernt, das hat Sinn und etwas gebracht. Vor dem Studium wäre ich nicht für die große weitere Welt bereit gewesen.
Fragst du dich manchmal, was wäre wenn?
Witzig, dass du das sagst, genau diese Situation hatte ich letztens. Ich bin froh, meinen Weg gegangen zu sein. Ich habe glaube alles richtig und mein Hobby zum Beruf gemacht. Viele sehen ihre Arbeit als Zweck an, um das tun zu können, was sie in ihrer wenigen Freizeit danach erst glücklich macht.
Trendgetränk 2023?
Wenn wir auf die Masse gehen, würde ich sagen ein SARTI SPRITZ. Farblich sehr ansprechend für Frauen, riecht richtig genial nach Grapefruit und als Spritz ein richtig geiles Sommergetränk. Das Bittere trifft aber auch sehr gut bei Männern ins Schwarze.
Jetzt noch ein Geheimtipp bitte: Wie macht man den perfekten Mojito?
Es gibt ja viele Sachen, die man mainstreamig falsch macht. Viele machen braunen Rohrzucker rein, es kommt aber weißer Rohrzucker rein. Dann machen viele Limettenstücke rein, es gehört aber nur Limettensaft rein. Viel stampfen dies dann ein und alles wird bitter. Dazu dann 5 CL Rum, viel Soda und viel Limette. Ein perfekter Mojito ist wie eine schöne Limonade mit Alkohol. Ganz wichtig: Eiswürfel und kein Crushed Eis!